Veröffentlichungen

Sie bewundert ihn seit Jahren. Für ihn waren Fans die Hölle.

Als „Paddy“ war er der Star der Kelly Family – und hing als Poster an Katrins Wand. Sie sind sich nie begegnet, aber seit 25 Jahren kommen sie nicht voneinander los.

Um sie herum sind 3000 Hände in der Luft, Katrin hat die Arme verschränkt. Sie schaut wie ein Jurymitglied, das Punkte vergeben soll. »In mir ist eine ewige Kritikerin«, wird sie später sagen. »Ich analysiere: Ist er mir zu albern? Ist es okay, Fan von dem Typen zu sein?« Der Rest des Publikums im Berliner Admiralspalast ist weniger kritisch und schwenkt die Arme von einer Seite auf die andere. Im gleichen Rhythmus wie Paddy Kelly, der im blauen Licht und Kunstnebel vorn auf der Bühne steht. Er nennt sich jetzt Michael Patrick Kelly und hat längst keine langen Haare mehr, sondern kurze, dunkelbraun.
Auch Katrin hat sich verändert. Weil ihre Haare blond sind, sieht man es nicht sofort, aber es sind graue darunter. Einen Tag später leitet Katrin einen Theaterworkshop, zu Hause, in Lübeck. Und Michael Patrick Kelly sitzt in Zürich beim Schweizer Fernsehen in seiner Garderobe. Er wartet, dass die Proben für eine Fernsehshow beginnen.
»Die Kelly Family war so ein Riesending, dass die Leute das nur schwer von mir trennen können«, sagt er. »Das ist wie mit Leonardo DiCaprio, der ist auch immer noch der Junge von der Titanic.« Gestern war er drei Stunden lang Alleinunterhalter in einer Lederjacke, die extra für ihn angefertigt wurde. Er hat vor seinen Fans gesungen und geschwitzt. Anekdoten und Witze erzählt. Jetzt trägt er einen gewöhnlichen Baumwollpullover und spricht erst mal minutenlang darüber, was beim Konzert alles hätte besser laufen können. Schwer zu sagen, wer kritischer mit sich ist, Katrin oder er.
Im vergangenen Jahr hat er hart daran gearbeitet, dass die Öffentlichkeit ihn endlich als Individuum wahrnimmt, nicht länger als Teil eines Kollektivs. Sein aktuelles Album heißt ID. Er ist im vergangenen Jahr 40 geworden, so alt wird demnächst auch Katrin. Sie haben sich nie die Hand geschüttelt, nie »Hallo« gesagt. Aber weil man die ersten 20 Jahre seines Lebens selten vollständig hinter sich lässt, führen die beiden immer noch diese Beziehung. Er ist der Künstler, sie sein Fan.

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