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Eine Liebe, die nicht sein durfte

Emma und Avtandil – eine westdeutsche Reisebegleiterin und ein georgischer Schlagzeuger – fühlten sich zueinander hingezogen. Sie hätten ein Paar werden können, aber der Eiserne Vorhang gab ihnen keine Chance.

Einen Heiratsantrag hat sich Emma anders vorgestellt. Als sie und Avtandil sich nach zwei Monaten heimlich in Odessa wiedersehen, sagt er zu ihr: „Geh nicht mehr zurück aufs Schiff, werde meine Frau.“ Aber Emma ist Reiseleiterin mit westdeutschem Pass, und so sehr sie Avtandil liebt – im sowjetischen System will sie auf Dauer nicht leben. „Wir müssen den offiziellen Weg gehen“, antwortet sie ihm.

Eine Schar Möwen schreckt auf und fliegt über die beiden hinweg. „Eine Möwe möchte ich sein“, sagt Avtandil. „Sie kann fliegen, wohin sie will.“ Aber Avtandil ist Schlagzeuger einer georgischen Band. Seine Heimat, die Sowjetunion, darf er nur mit Ausreisevisum verlassen. Zum Abschied küssen sie sich auf die Wange, mehr dürfen sie sich in der Öffentlichkeit nicht erlauben.

Knapp 41 Jahre später ist Emma 64 Jahre alt und Avtandil schon 12 Jahre tot. Emma hat es lange aufgeschoben, sein Grab zu besuchen. David, ein guter Freund von Avtandil, will uns hinbringen. Emma trägt rote Schuhe zu einer zitronengelben Handtasche. Sie ist eine Frau, die Menschen schnell für sich gewinnt mit ihrem fröhlichen Lächeln und ihren vielen Geschichten. Heute ist sie aber auch ein bisschen durch den Wind. Als wir am Blumenmarkt vorbeifahren, vergisst sie Blumen zu kaufen, obwohl sie das vorhatte. Wir fahren zurück. Sie nimmt einen Strauß leuchtend roter Tulpen in die Hand. Dann entscheidet sie sich für Osterglocken.

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